Das mussten im 16. Jahrhundert schon die Untertanen von Kaiser Karl V., der seit 1516 spanischer König war, am eigenen Leib erfahren, als er 1519 zum deutschen Kaiser gekrönt wurde und eine Reihe ungewöhnlicher Sitten an seinem Hof einführte, die den Leuten eben "spanisch" vorkamen.
Ich wollte in den letzten Tagen eigentlich endlich meine Reiseberichte über Venedig und Mailand schreiben, benötigte die Zeit allerdings dafür, um mich hier erstmal einzuleben.
Im Vergleich zu meinen bisherigen Aufenthalten (Barcelona miteingeschlossen) fällt es mir hier etwas schwerer, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, da in Valencia recht wenig Englisch gesprochen wird. Entweder können sie es überhaupt nicht oder sie mögen es schlichtweg nicht. Ich versuche tapfer, mich mit meinem bisschen Spanisch zu verständigen, allerdings sind Theorie und Praxis wirklich zwei unterschiedliche Paar Schuhe: Theoretisch verstehe ich Spanisch und kann beispielsweise einfache Sätze lesen und sprechen, in der Praxis überschlagen die Spanier sich aber fast beim Reden, so dass in meinem Kopf meistens nur drei große Fragezeichen herrschen.
Auch die Aussprache ist doch sehr verschieden: Zwar heißt es, dass Spanisch eine einfache Sprache ist, da es meist so gesprochen wie geschrieben wird, was prinzipiell auch stimmt, allerdings pflegen die Spanier zwei spezielle Gewohnheiten beim Sprechen, die für einen deutschsprachigen Menschen nicht gerade leicht zu erlernen sind:
Die Spanier rollen das R und betonen es noch dazu in jedem Wort stark. Versucht mal ein R richtig zu rollen! Gar nicht so leicht oder!? Irgendwie auch verständlich, da es das in unserem deutschsprachigen Raum nicht gibt und angeblich sogar manche spanische Muttersprachler es nie richtig lernen. Mein erster Gedanke war, dass man es am ehesten so wie beim Gurgeln machen könnte - weit gefehlt! Man muss die Zungenspitze an den oberen Scheidezähnen vibrieren lassen (Zungenstellung wie beim T, bei unserem R ist die Zunge allerdings am Zäpfchen). Theorie kapiert, Praxis wird noch probiert...
Außerdem - und das hat mir mein sonst so liebes Lernprogramm Duolingo gekonnt unterschlagen, da es laut meinem Gastgeber wohl sowas wie einen südamerikanischen Akzent verwendet - lispeln die Spanier hier standardmäßig oder zumindest hört es sich so an. Man sagt also nicht einfach "Gracias", sondern "grrassscias"
Puh doch nicht so leicht das Ganze, aber naja wird schon werden...



Ich wohne in Ruzafa, nicht mal 20 Gehminuten von der Innenstadt Valencias entfernt und komplett abseits des Tourismus. Gleich um die Ecke habe ich einen Supermarkt, eine Trafik die gleichzeitig die Bustickets verkauft und in 5 Minuten bin ich zu Fuß im überraschend belebten Zentrum Ruzafas, wo es ein Lokal nach dem anderen gibt.
Ich genieße es, hier wie zu Hause zu leben, nur eben bei viel angenehmerer Temperatur und Atmosphäre. ;-) Es ist spannend, die völlig andere Lebensweise der Spanier unverfälscht beobachten zu können und ich muss ehrlich gestehen, dass ich an sehr vielem richtigen Gefallen finde: Die Spanier stehen prinzipiell später auf und essen auch später. Mittagsessen ist beispielsweise durchaus erst zwischen 2 und 3 Uhr Nachmittags üblich, am Abend macht man mit Freunden gerne eine "tapear", eine Kneipentour, bei denen man Tapas - also kleine Imbisse oder Snacks - zu sich nimmt, bevor man gegen 23 Uhr die eigentliche Mahlzeit zu sich nimmt, insofern man danach überhaupt noch was runter bekommt.
Ich lebe diese Lebensweise inzwischen in Perfektion, auch wenn es noch immer etwas ungewohnt ist, all die Leute erst zwischen 22-23 Uhr Abendessen zu sehen. Das lange Aufbleiben ist ohnehin mein Ding und meine klimatisierte und voll abdunkelbare Wohnung macht es leicht, richtig lange zu schlafen. :-)
Mein seit langem bestehender Gedanke, dass ich im falschen Land geboren wurde, hat sich hier definitiv bestätigt!
Generell sind die Menschen hier viel entspannter und geselliger. Heute besuchte mich beispielsweise mein äußerst liebenswerter Gastgeber und war eigentlich in Eile, da er noch einen Termin hatte, saß aber trotzdem gemütlich eine halbe Stunde mit mir auf der Terrasse und verfeinerte seinen Kaffee versehentlich mit Salz anstatt mit Zucker - er war dann gestern wohl doch zu lange auf folgte als nüchterne Erklärung mit einem breiten Grinsen. Tja das sind noch zwei weitere typische Eigenarten der Spanier: Es ist sowas von normal, um die 10 Minuten zu spät zu kommen, da hier prinzipiell niemand Stress hat und es ist auch unter der Woche üblich, bis nach Mitternacht aufzubleiben. Am Mittwoch um circa 23 Uhr war die Stadt beispielsweise voll von Menschen, die überall gemütlich in größeren Runden in einer Bar oder einem Restaurant saßen und alle paar Minuten hörte man ein freudiges "Hola" und dann wurde auch schon wieder reihum links und rechts geküsst. Einfach herrlich zum Ansehen! Niemand wirkte frustriert von seiner Arbeit oder in Sorge, morgen nicht ausgeschlafen zu sein - schon irgendwie merkwürdig, wenn man das mit Österreich vergleicht.


Wenn das mit dem Spanisch irgendwann besser funktioniert, könnte ich mir durchaus vorstellen, hier zu leben, zumal man hier (zumindest für meinen Geschmack) eine richtig gute Flasche Rotwein um sagenhafte 1,75€ und 500g(!!!) Serrano Schinken um 4,99€ bekommt. ;-) In Österreich zahlt man dafür das 3-4fache und auch die Wohnungspreise scheinen (entgegen der Info aus dem Internet, dass die Lebenserhaltungskosten in Spanien höher seien als in Österreich) in etwa so wie bei uns zu sein.
Wo auch immer mein Weg mich hinführen wird, die momentane Zeit hier ist jedenfalls traumhaft!