Sonntag, 8. Oktober 2017

Pisa

Pisa befindet sich in der Toskana und präsentiert sich – abgesehen vom weltbekannten Schiefen Turm – relativ alltäglich. Abseits des Turms spielt sich nicht viel ab, weder durch Sehenswürdigkeiten noch Menschenmassen.

Auf meinem Weg von Frankreich nach Florenz machte ich einen kleinen Zwischenstopp in Pisa, das ursprünglich eigentlich gar nicht auf meiner Liste stand. Aber da es auf dem Weg lag, wollte ich die Chance nutzen, den Schiefen Turm mal mit eigenen Augen zu sehen und mich gleichzeitig ein bisschen vom vielen Autofahren erholen, bevor ich mein heißersehntes Florenz besuchte.

Wirklich viel sprang mir in Pisa nicht ins Auge (selbst mein Reiseführer meinte, dass sich ein Besuch in Pisa hauptsächlich wegen dem Turm lohne), es hat allerdings auch etwas für sich, das italienische Leben abseits des Tourismus in seiner Ursprünglichkeit zu beobachten.
Der Turm (Campanile) ist aber eine Sehenswürdigkeit im wahrsten Sinne des Wortes! Dass das Ding überhaupt noch steht, ist echt ein Wunder! Nicht umsonst heißt der Platz dort Piazza dei Miracoli (Platz der Wunder), welcher mit seinen Grünanlagen rund um die Sehenswürdigkeiten wirklich schön gestaltet ist.

Der Bau begann bereits im 12. Jahrhundert und sollte ein schöner, frei stehender Glockenturm für den Dom werden. Leider waren die Fundamente derart instabil, dass der Turm sich schon während dem Bau zu neigen begann. Über 100 Jahre stand der Bau still, bis man mit den weiteren Etagen versuchte, den Neigungswinkel auszugleichen. Da der weiche Grund (Sand, Lehm etc.) sich aber unter dem Gewicht des 55 Meter hohen und 14,5 Tonnen schweren Turms weiterhin verformte, wurde der Turm nach seiner Fertigstellung im 14. Jahrhundert immer schiefer, bis es dann in den 1990ern zu brenzlig wurde und man durch verschiedenste Sanierungsarbeiten (hunderte Tonnen Bleibarren als Gegengewichte, Stahlreifen zur Sicherung der durch die Neigung entstandenen Risse im Marmor, Bearbeitung des Bodens etc.) den Turm stabilisierte, den Neigungswinkel reduzierte und bei hoffentlich dauerhaften ca. vier Grad stoppte.
Neben dem Turm befindet sich noch der Dom und das Baptisterium. Diese drei mittelalterlichen Gebäude zählen seit den 1980ern zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Anmerkung: UNESCO ist die Abkürzung für United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization. Sie ist eine internationale Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die die Erziehung, Wissenschaft und Kultur fördert.

Da ich gesundheitlich etwas angeschlagen war, zog ich es vor, das Ganze gemütlich von außen zu betrachten, zumal das Wetter an diesem Tag einfach traumhaft schön war. Ich denke auch nicht, dass es die 18 Euro wert sind, die fast 300 Stufen des Turms nach oben zu gehen, immerhin ist er ja wegen seiner Schiefheit so aufregend und davon hat man im Inneren wohl nicht allzu viel. Außerdem darf man für diesen – entsprechend dem Preis-Leistungsverhältnis – völlig überteuerten Eintritt angeblich gerade mal 15 Minuten im Turm bleiben, bis die nächste 40 Personengruppe folgt.

Das Baptisterium (die Taufkirche) soll angeblich eine beeindruckende Akustik haben und je mehr Gebäude (Friedhofsanlage und Museum stehen auch noch zur Auswahl) man besucht, desto günstiger bekommt man den Eintritt insgesamt.




Der Dombesuch ist kostenlos, man benötigt aber entweder das Eintrittsticket von den anderen Gebäuden oder ein Gratisticket mit einer vorgegebenen Besuchszeit. Man muss allerdings in Kauf nehmen, dass dieser Platz insgesamt touristisch vollkommen überlaufen ist und man selbst im Freien aufpassen muss, nicht von einer überenthusiastischen Reisegruppe in ihrer Fotowut niedergetrampelt zu werden.



Es war echt lustig, den ganzen Touristen beim Posieren während dem „Turmstützen“
zuzusehen und diesmal war ich wirklich chancenlos, selbst dem Touristenkitsch zu widerstehen…

Pisa hat neben diesem UNESCO-Weltkulturerbe Mitte des 16. Jahrhunderts auch einen Menschen hervorgebracht, der unser Weltbild entscheidend veränderte: Galileo Galilei.
Glaubt man den Legenden, hat Galileo Galilei an diesem Ort einige seiner genialsten Erkenntnisse gewonnen: Vom Turm aus soll er die Fallgesetze erforscht haben und im Dom soll ihm durch die Beobachtung der Bewegung der Kanzelleuchte die Idee zu den Gesetzen der Pendelschwingung gekommen sein. Galilei trug als Universalgelehrter (Mathematik, Physik, Astronomie, Philosophie u.a.) jedenfalls viel zu unserem heutigen Wissen bei und erlangte vor allem große Berühmtheit, indem er das heliozentrische Weltbild von Kopernikus (das seine Wurzeln bereits in der Antike hat und nach Kopernikus von Kepler weiterentwickelt wurde) wissenschaftlich bestätigte und schließlich vor der Kirche widerrufen musste. (Die Kirche revidierte ihr Urteil offiziell erst im Jahre 1992...)

Literaturtipp: Bertolt Brecht – Leben des Galilei
Wer sich für das Leben und Schaffen Galileis interessiert, sollte unbedingt dieses wirklich toll geschriebene Schauspiel lesen, das sich weitgehend an die historischen Fakten hält (naja abgesehen vom Werkschmuggel, aber ein bisschen literarische Freiheit muss ja sein…). Es behandelt insgesamt 28 Jahre seines Lebens und beschäftigt sich neben seiner Bestätigung des kopernikanischen Weltbildes, dass die Sonne und nicht die Erde der Mittelpunkt des Universums ist, vor allem mit seinem Konflikt, ob er – unabhängig von den Folgen – zu seiner Entdeckung stehen soll.

„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.

Am Beginn von jedem der 15 Kapitel steht ein kurzer Hinweis zum historischen Kontext und ein Vers, beispielsweise zu Beginn des Werkes:
„Galileo Galilei, Lehrer der Mathematik zu Padua, will das kopernikanische Weltsystem beweisen.
In dem Jahr sechzehnhundertundneun
Schien das Licht des Wissens hell
Zu Padua aus einem kleinen Haus.
Galileo Galilei rechnete aus;
Die Sonn steht still, die Erd kommt von der Stell.“
Brecht legt vor allem Galilei viele weise Aussprüche in den Mund (z.B.: „Unsere Unwissenheit ist unendlich, tragen wir einen Kubikmillimeter ab.“ oder „Vertrauen wird dadurch erschöpft, daß es in Anspruch genommen wird.“) und die Dialoge gestalten sich meiner Meinung nach locker lustig, aber ebenso informativ. Als kleine Kostprobe findet ihr auf diesem Foto den Moment, in dem Galilei seinem Schüler begreiflich machen will, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.


Fazit: Der Turm ist toll und wirklich sehenswert – sonst ist Pisa aber ziemlich unspektakulär.

Tipp: Wenn ihr in die Toskana wollt, besucht das traumhafte Florenz und macht davor oder danach einen kurzen Abstecher zum Schiefen Turm - Pisa ist nur etwa 1 ¼ Stunden bzw. 85 Kilometer von Florenz entfernt!
In Zentrum Pisas besteht wie in den meisten italienischen Innenstädten Fahrverbot (ZTL – Zona Traffico Limitato). Parkplätze gibt es beispielsweise gebührenpflichtig beim bewachten Pisa Tower Parking oder kostenlos beim Free Parking Via Paparelli. Man hört immer wieder von aufgebrochenen Autos in Pisa, aber ich ließ mein Auto trotzdem am unbewachten kostenlosen Parkplatz stehen und spazierte die ca. 15 Minuten zum Turm. Dafür bekam ich bei der Rückkehr zum Auto einen richtigen Schrecken: „Das gibt es doch nicht, da sitzt jemand in meinem Auto! Was kramt der denn da herum? Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ dachte ich unter pochendem Herzrasen und beschleunigte meinen Schritt, ohne eigentlich genau zu wissen, was ich tun werde, wenn ich beim Auto angekommen bin, da der Parkplatz zu dieser Zeit ziemlich verlassen war und ich kräftemäßig wohl kaum gegen einen Mann ankomme würde. Umso erleichterter war ich, dass die ganze Panik Gott sei Dank umsonst war, denn es handelte sich bloß um eine simple optische Täuschung: Hinter meinem Auto stand ein weiteres weißes Auto, das von meinem komplett verdeckt wurde, dass es von der Entfernung tatsächlich so aussah, als säße der Mann in meinem Auto. Tja und so wird einem auf Reisen nie langweilig :)


Mein Leitspruch

Der lateinische Spruch " sapiens omnia sua secum portat " wird durch Cicero dem griechischen Philosophen Bias von Prine (6. Jh.v.C...